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15.01.10

Ein Roman, der den Leser nicht mehr losläßt

Pascal Mercier Nachtzug nach Lissabon

Wer kennt sie nicht, die himmlischen Ferientage, an denen nur das neue Buch zählt, nichts stören kann und man nur ungern der menschlichen Umgebung Auskunft darüber gibt, worin man denn so versunken sei. Das passierte mir in den Weihnachtsferien mit Merciers kürzlich im Taschenbuch veröffentlichtem Roman Nachtzug nach Lissabon.

Eines frühen Morgens sieht Raimund Gregorius eine Frau auf der Brücke auf dem Weg zur Arbeit. Ihre Begegnung bringt bei Gregorius Gedankenwelten in Bewegung, die er lange verschüttet glaubte. Er kehrt der Schule, in der er seit 30 Jahren unterrichtet, den Rücken und bricht auf in ein Abenteuer.

Ungelebte Lebensträume
Wir alle kennen solche Momente in denen wir uns wünschen, aus unserem Leben, so wie es momentan ist, herauszuschlüpfen wie aus einer zweiten Haut. Vielleicht gerade in der Urlaubszeit, wo wir andere Kulturen und Lebensgewohnheiten kennenlernen und uns fragen, was wohl aus uns geworden wäre wenn ... ja wenn wir nach der Ausbildung den Job in einen fernen Land angenommen hätten, wenn wir damals die Beziehung mit dem Jugendschwarm weitergeführt hätten, Arzt in Afrika oder Zimmermann in Australien geworden wären.

Gregorius will gleich alles auf einmal: eine neue Sprache lernen (portugiesisch), die lebt! Im Gegensatz zu den sogenannten toten Sprachen Latein, Griechisch und Alt Hebräisch. Zum ersten Mal reist er nach Portugal, erkundet die Stadt, lernt die Sprache mit Hilfe von Wörterbuch, Grammatik und einem Buch, das ihn fasziniert.

Suche nach dem unbekannten Toten
Der Autor ist seit langem tot, doch Gregorius begibt sich auf die Suche nach den Menschen, die ihn kannten, nach Überlebenden seiner Familie, nach dem Haus, in dem er lebte, der Schule, die er besuchte. Auf diesem teilweise beschwerlichen Weg trifft der Protagonist auf freundliche Menschen, die ihm bereitwillig helfen. Das ist vielleicht das einzig Negative, das ich anmerken möchte: es läuft ein bisschen zu perfekt, wirkt dadurch unrealistisch. Trotzdem hat mich der Autor bei der Stange halten können. Was der Leser während der Lektüre über das Land, die Leute, Geschichte und Sprache kennenlernt, ist sehr interessant.

Das offene Ende – oder je nachdem, wie man es sieht auch depressive Ende – lässt Raum für Spekulationen, die unweigerlich zum eigenen Leben, dessen Hauptweg und alternativen Strassen, führen. Ein wirklich lesenswertes Buch, dass die Gemüter allerdings hochschlagen lässt. Entweder man liebt Nachtzug nach Lissabon oder hasst es, weil es zu schmalzig daherkommt. Ich war aber von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und bin gern bereit, mich noch auf andere Bücher des Autors mit Pseudonym einzulassen.

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